Bilder 2010

Von einem der auszog, konstruktiv zu sein.

Eine Ausstellung über Schiffbau und 96 Jahre einer deutschen Geschichte

MS BLEICHEN

26. August bis 12. September 2010

28. Juli bis 21. August 2011

 

 

Familie Schultz kurz nach ihrer Ankunft in Hamburg

Die Idee

Man nehme das Leben eines einzelnen Menschen und spiegele darin eine ganze Generation.

Die Geschichte des Ingenieurs Kurt Schultz aus Neubrandenburg könnte exemplarisch für die Vorkriegsgeneration stehen. Nach seinem Tod hat seine Enkeltochter seine tagebuchartigen Aufzeichnungen entdeckt und festgestellt, wie wenig sie eigentlich von ihrem Großvater wusste. Mutter an Hunger gestorben, im zweiten Weltkrieg eingezogen, Familie mit zwei Kindern in Neubrandenburg, 1951 Flucht, gescheitert, dann zwei Jahre Arbeitslager, 1953 zweiter Fluchtversuch mit Ankunftsort Hamburg, dort ins Auffanglager, Behelfsheim im Kleingartenverein, 1957 Anstellung bei Blohm&Voß bis zur Rente, unerschöpfliche Segelleidenschaft, vier Kinder, Ehefrau in den 70er Jahren gestorben, bis zu seinem Tod 2009 im Kleingartenverein gewohnt.

Diese Eckdaten, zwischen den Zeilen betrachtet, könnten für eine ganze Generation stehen. Ein Leben mit viel Entbehrungen und der daraus entstandenen Sehnsucht nach Beständigkeit. Ein Leben steht für viele Leben? Kein Politiker, kein Star, ein Mensch wie Du und ich. Statt auf eine Zigarette mit Helmut Schmidt einen Tee mit Kurt Schultz? 

Denn was bedeutet es für uns, wenn die Helmut-Schmidt-Generation ausstirbt? Ein Jahrhundert Geschichte und seine Zeitzeugen segnen das Zeitliche und lassen Fragmente ihrer Vergangenheit zurück. Eine Zeit mit zwei Weltkriegen, Hungersnöten, Vertreibung, Flucht, wenig persönlichem Bildmaterial und Aufzeichnungen, Aufbau Ost und West und Wirtschaftswunder.

Wir stellen uns die Frage, wie weit wir anhand einer Person und ihrem geistigen Erbe auf fast 100 Jahre Geschichte blicken können. Was erkennen wir in uns wieder, was scheint erklärt, was verschwommen, welche Fragen bleiben offen, warum wissen wir so wenig von dieser Generation? Wir begeben uns auf Spurensuche nach unseren Wurzeln. 

 

Bei Blohm und Voss in den 60er Jahren

Der Inhalt

Deutsch-Deutsche Geschichte zum einen, zum anderen aber auch viel Hamburg.

Im Mittelpunkt die Traditionswerft Blohm & Voss, die in Hamburg lange Zeit für Sicherheit und Beständigkeit stand. Mit dem Verkauf der Werft 2010 an einen ausländischen Investor geht auch ein Stück alter Hamburger Geschichte zu Ende und eine neue noch ungewisse beginnt.

Der Schiffbau wird ein zentrales Thema in dieser Ausstellung sein. Kurt Schultz hat Ende der 50er Jahre sein eigenes Stahlschiff gebaut. Viele Pläne und das Schiffsmodell sind noch vorhanden. Die Do-it-yourself-Generation der Nachkriegsjahre wird sich hier neben Segel- und Werftbegeisterten wiederfinden. Wir zeigen Werft-Aufnahmen, werden die Geschichte hinter den Kulissen beleuchten und darin die stetige Veränderung aufzeigen. Foto- und Filmaufnahmen werden die Annäherung an die Zeit vereinfachen.

Die Inhalte des ersten Teils von „Von einem der auszog, konstruktiv zu sein“ werden 2011 im zweiten Teil um die emotionale Ebene ergänzt. Dabei geht es inhaltlich um die Opa-Enkel-Konstellation, bei der die Erinnerungsarbeit auf die Inszenierung eines Lebensgefühls stößt. Die Installation behandelt dabei nicht den plakativen Vorgang, sondern bietet dem Besucher die Betrachtung einer tieferen Ebene.

Hier wird zum einen der Konflikt zwischen Enkelkind und Großvater sichtbar, aber auch die Sehnsucht nach mehr Wissen und Klarheit über das Gewesene. Am Ende stehen zwei Wahrheiten mit zwei Geschichten. Der Großvater wird seine Geschichte anders gedeutet haben als sein Enkelkind es tut.

 

Der Ort

Der Frachter BLEICHEN liegt am Bremer Kai im Hamburger Freihafen. Auf der Kaianlage befinden sich zig Werft- und Hafenkräne aus dem zwanzigsten Jahrhundert. Kräne spielten auch bei Blohm und Voss eine große Rolle. Sie stehen auch im Zusammenhang mit der Arbeit von Kurt Schultz, der als Ingenieur bei der Werft neben Arbeiten an den Docks und den Maschinen auch die Kräne berechnet hat. Man wird bei der Ausstellung immer wieder feststellen, wie gern er gearbeitet hat und wie viel Platz die Arbeit in seinen Aufzeichnungen einnimmt. Er war bis zu seinem Tod mit fast 96 Jahren unaufhörlich tätig. Noch 2009 hat er die statischen Berechnungen für die in den ca. 300 m2 großen Laderaum der BLEICHEN führende Treppe getätigt. Über diese Treppe wird man zur Ausstellung gelangen.  

Freifrau von Schulz und ihre Crew dankt der Behörde für Kultur, Sport und Medien für die Unterstützung und wünscht allen Besuchern eine schöne Ausstellung.