Von einem der auszog, konstruktiv zu sein

Die Ausstellung - 2. Teil

28. Juli 2011 um 20.00 Uhr – Vernissage

Ausstellungsöffnungszeiten: 29. Juli – 21. August 2011

Freitag bis Sonntag von 11.00 bis 18.00 Uhr

21. August 2011 um 15.00 Uhr - Finissage mit der Theaterperformance "Geliebt-bespielt-vergessen"

Programm unter http://www.wahrschau.com

 

 

Wie auch schon im ersten Teil der Ausstellung 2010 ist auch in diesem Jahr der Bootsbau ein zentrales Thema. Die Betrachtung ist aber vielschichtiger. Neben den Sichtweisen der Künstlerin Friederike Schulz werden die Filmemacher Frank Müller und Jörg Bookmeyer ihre Betrachtung auf die Person Kurt Schultz zeigen.

Es geht hier im weitesten Sinne um Geschichte und ihre Veränderung durch unterschiedliche Geschichtenerzähler.

Für den Besucher erschließen sich dabei mehrere Perspektiven, die Rückschlüsse auf die eigene Vergangenheit zulassen.

Es stellt sich dabei die Frage, wie die innerer Haltung den Werdegang des Menschen beeinflusst. Kann man mit wenig glücklich sein? Wie weit beeinflussen uns Krieg, Flucht, Gefängnis und Vertreibung. Ist das Erlebte Schuld an unserem Zustand oder ist die innere Haltung mit dem Blick in die Zukunft der Träger unseres Lebens? Was bedeutet Hoffnung und was Hoffnungslosigkeit? Was ist Glück und was Unglück?

Diesen und anderen Fragen versucht die Ausstellung anhand einer Lebensgeschichte auf den Grund zu gehen. Eine Lebensgeschichte, die exemplarisch ist für eine Generation, die geprägt ist von Krieg, Vertreibung, Wirtschaftswunder und Wiedervereinigung.


Die Künstlerin Friederike Schulz sucht die Annäherung zu ihrem Großvater auf zwei Ebenen. Die eine Ebene ist historisch bedingt und findet ihren Ursprung in Fotogfrafien und persönlichen Aufzeichnungen. Die andere Seite ist der Umgang mit dem Verschwinden eines Lebens.

Sie lenkt das Augenmerk auf den Kiekenkarten, die Parzelle im Kleingartenverein. Lebensort der Familie Kurt Schultz bis zu seinem Tod. Fotografisch wird die Demontage des Wohnraumes nach dem Ableben dokumentiert und in den Kontext gestellt zu der Zeit, als dort die Familie ihren Lebensmittelpunkt hatte.

Die Dinge die verschwinden erwecken im Betrachter Emotionen, die durch eigene Erfahrung nachdenklich stimmen. Der tatsächliche Wert der Dinge ist hier am Ende nur die Verbindung mit der Person, die sie besessen hat.

Die historische Ebene ist der Bootsbau des Greif IV. Zu der Geschichte des Großvaters reihen sich Geschichten von Menschen, die das gleiche gemacht haben wie er. Seine Geschichte wird somit zum Teil der Geschichte einer Generation nach dem Krieg, die durch Eigenbau ihr Glück selbst in die Hand genommen hat.

Um den Werdegang von Kurt Schultz zu begreifen wird in einem „Zaun der Geschichte“ auf die für die Enkeltochter wichtigen Lebensabschnitte ihres Großvaters hingewiesen. Eine Geschichte in 30 Bildern...

 

Der Filmemacher Frank Müller das Leben von Kurt Schultz im Schnelldurchlauf. Seine Sicht setzt er mit bewegten Bildern und Fotografien in Szene.

1956. Nach 2 Jahren Arbeitslager und einer glücklichen Flucht aus der DDR, kommt Kurt Schultz mit seiner Familie nach Hamburg.

Man lebt in sehr beengten Verhältnissen: In einer kleinen Laube im Kleingartenverein, Parzelle 114 auf der Billerhuder Insel, Hamburg.Als 1957 seine Frau Rose zwei weitere Kinder bekommt, wurde die Situation nahezu unerträglich. Der Vater hatte mittlerweile zwar eine Stelle bei Blohm und Voss bekommen, anstatt aber nun das verdiente Geld in ein eigenes größeres Heim zu investieren, um der Enge zu entfliehen, beschloss er seinen Traum von Freiheit durch den Bau eines Schiffes zu verwirklichen.

Ungewöhnlich für diese Zeit, da man in der Zeit des Wiederaufbaus und des westdeutschen Wirtschaftswunder eher für ein eigenes Heim sparte.Der Schiffsbau wurde so zum Mittelpunkt der Familie. Anstatt sich am Wochenende zu erholen arbeitete man mühevoll am Bau der Yacht.Geschick, Talent zum Improvisieren und viel Glück halfen dabei, dass der Greif IV am 29. Juli 1961 seinen Stapellauf hatte.Das Schiff wurde von der Familie nun genutzt um den Luxus von weiten, freien Reisen in der Ostsee zu erleben.

So hatte man es geschafft, den Traum von Freiheit zu verwirklichen. Bis an sein Lebensende baute Herr Schultz seine Yacht aus und erlebte viele glückliche Fahrten mit ihr. Herr Schultz starb 2010 im Alter von 96 Jahren. Die Laube zerfiel und wird im Sommer 2011 abgerissen.

Das Schiff aber wird jetzt von seinem Sohn Lothar genutzt. Herr Schultz' Vermächtnis und sein Traum von Freiheit haben überlebt.

 

Der Dokumentarfilmer Jörg Bookmeyer hat vor 10 Jahren ein langes Interview mit Kurt Schultz vor laufender Kamera geführt. Kurt Schultz erzählt hier von den prägenden Ereignissen aus seinem Leben. Jörg Bookmeyer hat daraus ein Kurzportrait geschaffen, dass einen Blick auf die reale Person Kurt Schutzs wirft, wobei die endgültige Auswahl von Wichtigkeit und Unwichtigkeit beim Filmemacher bleibt.

 

 

Drei Perspektiven auf eine Person.

Eine Geschichte – Viele Geschichten